Ludwig soll kein Schlachtpferd sein

Auf dem Papier ist Ludwig als Schlachtpferd eingetragen. Doch das gefällt seiner Besitzerin gar nicht. Wie viel Bürokratie nötig ist, um sie zu besänftigen, lest ihr hier.

„Können Sie aus dem Ludwig mal eben noch ein Nicht-Schlachtpferd machen?“, blickt mich die Besitzerin fragend an und klatscht mir den Pferdepass des von mir soeben geimpften Pferdes auf das Dach meiner Autoapotheke. „Nein, kann ich nicht“, antworte ich und strecke ihr den Pass gleich wieder entgegen.

Ihre Augen werden groß und rund: „Wieso nicht …? Das ging doch bei der Ursel neulich auch! Der Kollege hat den mal eben schnell umgetragen.“

Ich bin aber nicht der Kollege und ich trage hier nichts einfach so um, denke ich mir und rolle ein wenig mit den Augen. „Das darf ich gar nicht mehr!“, antworte ich knapp und lege noch nach: „Wegen einer neuen EU-Verordnung.“

Pferde registrieren: Aus alt mach neu

Naja, so neu ist die Verordnung eigentlich gar nicht mehr. Die Durchführungsverordnung (EU) 2021/963 (DVO) ist am 10.06.2021 herausgekommen und am 01.07.2021 in Kraft getreten. Und was da als bloßes Zahlengefüge so unaufgeregt daherkommt, hat’s letztlich doch in sich: Die Verordnung beinhaltet die Vorschriften zur Identifizierung und Registrierung von Equiden (Pferde, Esel, Zebras und ihren Kreuzungen) und regelt die Aufstellung von Muster-Identifizierungsdokumenten für diese Tiere. Somit löst sie die alte, sogenannte „Equidenpass-Verordnung“ von 2018 ab.

Equidenhalter sind damit nunmehr verpflichtet, alle Equiden auf ihrem Betrieb zu melden. Da in der EU gehaltene Pferde laut Verordnung (EG) Nr. 504/2008 sowie durch die Viehverkehrs-Verordnung auf nationaler Ebene eindeutig nach geltenden Anforderungen entsprechend identifizierbar sein müssen, stellt diese Meldung eigentlich kein Problem dar. Die Identifizierung eines Equiden beinhaltet nämlich die Ausstellung des Pferdepasses (das einzige auf Lebenszeit gültige Identifizierungsdokument) sowie das Setzen eines Transponders innerhalb der ersten sechs Lebensmonate, spätestens aber bis zum 31. Dezember des Geburtsjahrs oder vor dem endgültigen Verlassen des Geburtsbetriebs für mehr als 30 Tage. 

Darüber hinaus erhält das Pferd nach Eingang aller Angaben seine universelle Equiden-Lebensnummer (UELN) von der passausstellenden Stelle und wird in der Datenbank des Herkunftssicherungs- und Informationssystems für Tiere, der sog. HIT-Datenbank registriert.

Automatisch Schlachtpferd

„Aber ich lass den Ludwig gar niemals schlachten, ehrlich net!“, fängt die Besitzerin an zu betteln.

„Das verlangt ja auch keiner“, antworte ich besänftigend.

„Aber wenn er doch ein Schlachtpferd ist, dann dürfen Sie den ja nicht einschläfern.“

„Ich darf jedes Pferd einschläfern, wenn ich einen triftigen Grund habe“, halte ich dagegen und meine Besitzerin beruhigt sich wieder ein wenig.

„Aber wieso dürfen Sie den jetzt nicht mehr umtragen?“

„Na, weil das jetzt die neue Verordnung so regelt.“ In solchen Diskussionen bin ich pragmatisch.

Tatsächlich ist in der neuen DVO festgelegt, dass jeder Equide per se als zur Schlachtung für den menschlichen Verzehr eingeordnet ist. Die neuen Formulare, die vom Tierarzt auszufüllen sind, um den Equidenpass zu beantragen, lassen eine Wahlmöglichkeit somit gar nicht mehr zu.

Die Ausnahmen

„Dann hat der Kollege das bei der Ursel ja komplett falsch gemacht!“, ereifert sich die Besitzerin nun und keift ein wenig dabei: „Der hätt‘ des gar nimmer dürfen!“

„Äh … “ Ich hebe abwehrend die Hand und schüttle dabei den Kopf. „Doch, das darf der schon.“ Ludwigs Besitzerin versteht nun schon wieder nur Bahnhof. „Der Tierarzt darf die Ursel schon umtragen zum Nicht-Schlachtpferd …“

Und zwar darf er das nämlich dann, wenn er ein Arzneimittel nach Artikel 112 Absatz 4 der Verordnung (EU) 2019/6 (EU-Tierarzneimittelrecht) verabreichen muss – aber VOR der Behandlung und MIT Zustimmung des Eigentümers.

Hinterher muss der Pferdehalter den Pferdepass umgehend an die zuständige Behörde oder beauftragte Stelle senden, um diese Änderungen in der HIT-Datenbank hinterlegen zu lassen. Eigentlich war sogar geplant, dass der Tierarzt selbst die Änderung des Schlachtstatus in der Datenbank hinterlegen kann. Dies sieht die DVO aber bislang nicht vor und eine nationale Bestimmung diesbezüglich fehlt. Auch für Pferde, die aus einem Drittland importiert werden oder solche, die ihren Equidenpass verloren haben, ist die Änderung des Schlachtstatus nach neuer DVO möglich.  

Pragmatische Lösungen

„Hat die Ursel vielleicht ein Medikament bekommen, das nicht für lebensmittelliefernde Tiere zugelassen ist?“, frage ich. Die Besitzerin denkt kurz nach und antwortet dann sichtlich erleichtert: „Ja, der hat doch die neuen Tabletten vorbeigebracht! Weil doch die Ursel jetzt des Kaschmirdings, naaa des Kaschingg hat!“.

„Ganz genau“, lache ich: „die Ursel hat Cushing und braucht spezielle Tabletten, die man Schlachtpferden nicht geben darf. Also hat der Kollege vor Behandlungsbeginn die Ursel umgetragen – und damit alles richtig gemacht“.

Das Gesicht von Ludwigs Besitzerin hellt sich auf: „Na dann warten wir halt ab, bis der Ludwig des Kasching auch kriegt und tragen ihn dann um“, reflektiert sie und wir lachen beide. Ich erkläre ihr nicht, dass es noch andere Medikamente gäbe, die ein Umtragen möglich machen, sondern bin froh, dass sie diese Kröte dann doch so schnell geschluckt hat.

Quelle und vollständiger Artikel: doccheck.com

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